Wenn Kleider Geschichten erzählen
Das Nordamerika Native Museum (NONAM) in Zürich liegt versteckt hinter einer Strassenecke. Hier begrüsst mich ein Totempfahl, wie er auch am Yukon-Fluss steht. Ein Wandgemälde mit dem typischen Muster der Westcoast First Nations in Blau, Rot und Schwarz zieht mich im Innenhof in den Bann.
Als ich kürzlich die Ausstellung «Honouring our Future: Yukon First Nations feiern die Zukunft» besuchte, wurde ich von einer Geschichte gefangen genommen, die zeigt, wie lebendig die indigene Kultur heute ist. Kuratorin Heidrun Löb erzählte uns von Lisa Dewhurst, deren Tochter zwei Wochen vor der Abschlussfeier mit einem Online-Kleid ankam und bat: „Mach etwas Indigenes daraus.“ Was daraus entstand – ein schwarz-weißes Kleid mit Pelz, Perlen und traditionellen Mustern – war mehr als Kleidung. Es war ein Statement.
Mehr als nur schöne Kleider
Die Ausstellung zeigt Abschlusskleider der Yukon First Nations, die seit 1975 eine besondere Tradition pflegen: Zusätzlich zu den regulären Abiturfeiern zelebrieren sie ihre jungen Menschen mit traditioneller Regalia. Beim ersten Kleid, das mich begrüsste – Shania Hogans Abschlusskleid – blieb ich stehen. Ihre Mutter hatte sechs Monate daran gearbeitet. „Sie fühlte sich wie eine Königin, getragen und unterstützt von ihren Vorfahren“, erzählte Löb.
Was mich besonders faszinierte: Die First Nations zeigen bei solchen Zeremonien bewusst ihren Rücken dem Publikum, damit alle das Clan-Symbol sehen können. „Zuerst kommt die Gemeinschaft, dann das Individuum“, erklärte Löb. Ein Gedanke, der unsere westliche Ich-zentrierte Welt in Frage stellt.
Tradition trifft Moderne
Die Kleider erzählen ausserdem vom Umgang mit Geschichte. Was wir als „typisch indianisch“ betrachten – Glasperlen, bestimmte Sticktechniken – kam oft von aussen, wurde aber zu etwas völlig Eigenem transformiert. Eine Elchleder-Weste mit Weidenröschen-Applikationen trägt gleichzeitig das Emblem einer Sportmannschaft. Diese Mischung aus Alt und Neu ist keine Kompromisslösung, sondern Ausdruck gelebter Kultur.
Erinnerungen an den Yukon
Während ich durch die Ausstellung schlenderte, dachte ich an meine eigenen Yukon-Tage zurück. Mein damaliger Freund aus Kanada erzählte oft von der Verbundenheit der First Nations zu ihrem Land und ihrer Gemeinschaft.
Das NONAM versteckt sich in einem Zürcher Hinterhof, aber was es zeigt, hat internationale Ausstrahlung. Die Ausstellung war bereits in London zu sehen. Bis zum 28. September kann man sie noch in Zürich erleben, bevor sie nach Kanada zurückkehrt.